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Montag, 5. Dezember 2011

05. Dezember 2011

Es gibt nicht viel, was sie weiß von dieser Stadt, die sie vierzig Jahre lang nicht verlassen hat, die sie vier Jahrzehnte lang bewohnt, ohne sie jemals kennengelernt zu haben. Dass es ein Arbeitslager gab aus dem heraus man die Juden zum Bahnhof zur Deportation getrieben hat, das hat sie erst kürzlich erfahren. Diese Stadt, wie andere auch, hat jüdische Geschäfte zerstört, enteignet, sich bereichert am Unrecht, es hingenommen und dann vergessen. Lange genug, dass das Erinnern nicht zu nah an den heranreicht, dem es zugetragen wird.
Von ihrem Großvater väterlicherseits wurde behauptet, er habe oftmals in Gefahr geschwebt während des Naziregimes, als überzeugtes SPD Parteimitglied und Mann, dem es schwerfiel, seine Meinung für sich zu behalten. Die Mutter ist mit ihren Eltern (den unbekannten Großeltern) über die Nehrung vor den Russen geflohen. Ein Zeit lang war sie in Dänemark in einem Kriegsgefangenenlager interniert. Die Schwester der Mutter (die ungeliebte Tante) hat ein Kind verloren auf der Flucht, zwei Jahre alt und zu schwach für die Strapazen.
Diese Geschichten haben sie niemals ganz erreicht. Es sind kleine, scheinbar unbedeutende Details, an die sie sich erinnert, die Fragen sind erst jetzt da, zu einem Zeitpunkt, da niemand mehr lebt, der sie beantworten könnte.
Vielleicht ist sie deshalb so stolz darauf, dass ihr Sohn so viele Fragen stellt.

Die einzigartige Zeichnung jeglichen Unglücks

Es kommt ja nicht darauf an was man liest. Aber wie man es liest, darauf kommt es an. Wenn es um das Ankommen geht, um das Ankommen und nicht um das Aufkommen, um das es bereits vorher gegangen ist, weil vor dem Ankommen jemand aufkommen muss, für die Möglichkeit irgendwo anzukommen.
Und jedes Denken, das zum Nachdenken verführt, ist eine kreisrunde Bewegung.

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