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Samstag, 31. Dezember 2011

Nachtsicht


Die kleine Frau trägt schwarz, damit sich das Kind neben sie setzt. Dem Kind rieselt der Sand aus den Haaren. Der kleinen Frau läuft die Zeit aus. Sie setzt auf das Schiff, das nur ein Boot ist, aber das Kind hat es angemalt.
Sie werfen Schatten, alle beide. Die Frau und das Kind. Und weil die Schatten so gesprächig sind, ist es ihnen erlaubt zu schweigen. Sie streifen einander mit einem Blick und fallen zurück ins Vergessen. Dieser Punkt dem die Zukunft nichts zutraut. Und gerade deswegen so vertraulich danach sucht. Schwarz ist so eine schwere Farbe, sagt das Kind und die kleine Frau nickt und lässt den Sand durch ihre Finger gleiten. Die Farben, denkt die kleine Frau, wo sind die Farben hin? Die Haut des Kindes ist weiß, weiß ist der Sand, sind die Wolken am Himmel. Vier Farben weiß, und dass es noch andere Farben gegeben hat, denkt die Frau, aber die hat sie vergessen. Das Weiß des Schnees und wie er langsam immer dunkler wird, bevor er verglüht, unsichtbar, durchsichtig. Die Haut unter dem schweren schwarzen Stoff, die Milch, auch die Milch war weiß, die Zähne, die Brüste, der Leib.
Die Haare, auch meine Haare sind weiß, denkt die kleine Frau. Das Kind lächelt, als ob es versteht.
Weiß die Muscheln um sie herum. Weiß der Hund, der hinten am Horizont über die Dünen springt. Seine Bewegungen.
Weiß die Knochen, der Mond. (Das gleißende Geläut der Vergangenheit). Wie riecht das Weiß?, fragt das Kind, und wie hört es sich an?
Willst du das wirklich wissen?, fragt die Frau, Sand in den Haaren, den Ohren, auf ihrem Kleid. Und das Kind wiegt sich zum Rauschen der Wellen. Der Hund legt seine Schnauze auf die Pfoten und schläft ein.
Kann man es riechen?, fragt die Frau und dann sehen beide aufs Meer. Wie viele Mal ist die Sonne jetzt schon untergegangen und immer mit dem Versprechen sie geht nie wieder auf. Und das Weiß ist nichts als eine Erinnerung. Ohne Klang. Ohne Duft. Nur ein Wort.

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