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Unterbrechungen

Es war kalt als mein Vater im Sterben lag. Die Seen waren zugefroren. Seine Hände waren kalt und kraftlos. Mein Traum ist beendet, sagte mein Vater. Ich muss nun gehen.
Ich habe getrunken und meine Brüder geschlagen. Ich habe Ränke geschmiedet und meine Zeit vertan.
Mein Leben war ein Kreis, in dem ich vergebens die Unterbrechung gesucht habe, um zu entkommen. Nun ist sie da.
Lebt wohl.
Sherry_ - 13. Mär, 23:24

Das tut so weh, selbst das Durchbrechen des Kreises. Denn sogar der Abschied von der Trauer ist ein Abschied mit Trauer. :(

Sofasophia - 13. Mär, 23:47

trauern ist für mich teil des weges zu mehr lebenskraft. ohne das bewusstsein, dass der tod teil allen lebens ist, kann das leben nicht GANZ gelebt werden. trauern heißt danken und dankbarsein für das, was war und bedauern, was nicht sein konnte. und noch viel mehr. viele farben - und für alle wieder andere.

bess - 14. Mär, 01:08

Der Text als literarische Umsetzung ist sehr schön und rund.

Was den Inhalt angeht, wenn wir es hier nicht mit Fiktion, sondern Wirklichkeit zu tun haben, möchte ich nur schweigen und still teilnehmen.

Samara-M - 14. Mär, 07:53

Das ist eine schwierige Geschichte. Der Tod scheint der lang gesuchte Ausgang aus diesem Traum zu sein, der für den Vater das Leben ist.
Was eine Tochter, ein Sohn empfinden mag, die doch in diesem Kreis Abschied von ihm nehmen muss, vermag ich mir kaum vorzustellen. Ich vermute, dass die Kälte seiner Hände und die Kraftlosigkeit symbolisch für ihre Beziehung stehen. Ein Vater, der nie nah war, immer versucht war auszubrechen. Es muss eine quälende, stumme Trauer sein für das Kind. Eine Trauer über das, was nie da war und nun durch den Tod nie mehr sein werden kann. Das Ende der Träume.

[Ich hoffe, ich hab das nicht zerredet. Aber ich finde es wundersam, wie aus deinen paar Zeilen eine große Geschichte wird. Es ist, als gäbest du uns ganze Bücher in die Hand, die jeder füllen darf, wie er es für richtig hält.]

steppenhund - 14. Mär, 09:21

ohne es zerreden zu wollen

Mein Vater starb im Alter von neunzig Jahren. Es ging ihm nicht mehr so gut, in erster Linie wegen des Parkinson. Er lebte die letzten Jahre bei uns zu Hause, wo ihn meine Frau pflegte. Er war in den letzten Jahren sehr, sehr friedlich geworden, freute sich an den kleinen Sachen und liebte unseren Hund.
Als er starb sah ich es als eine Erlösung für ihn, ich war dabei.
Doch ist er nie richtig gestorben. Als ich noch ein Kind war, erzählte er mir unendlich viele Geschichten. Später hielt er neben seinem Beruf Vorträge über Musik und schaffte es, dass er eine Gruppe von absolutem klassischen Unverständnis von Haydn bis Prokofiev oder Hindemith geleitete.
Er schrieb lange Briefe. Er teilte sich mit. Seine Aussagen haben mich mein ganzes Leben begleitet, ich kann mir vorstellen, ihn jederzeit fragen zu können. Er hatte auf fast alles eine Antwort und so kann ich heute noch in mich hören und lauschen, was er auf bestimmte Fragen antworten würde.
Mein Vater war ein gutes Vorbild, nicht so sehr in seinen guten Eigenschaften, die ich nicht kopieren konnte. Doch seine Fehler wollte ich vermeiden und habe das in bestimmten Punkten auch geschafft.
Hätte es damals ein Internet gegeben, wäre mein Vater vermutlich glücklich gewesen. Er unterhielt Briefverkehr mit bedeutenden Leuten und seine Briefe waren im Alter mit der Schreibmaschine geschrieben, er hatte aber auch eine kalligraphische Handschrift, wie man sie zu seiner Generation lernen musste. (Geburtsjahr 1909).
Um ihn zu trauern hielte ich für falsch, denn für mich ist er nie gestorben.

rittiner gomez - 14. Mär, 11:26

es gibt kaum ein entkommen.

tom-ate - 14. Mär, 14:47

Das Leben ist eine kreisförmige Spirale. Man kommt immer wieder an den selben Ort, aber jeweils eine Zeitetage höher. Kein Lift, keine Treppen, nur der Sprung aus dem Fenster...

Weberin - 14. Mär, 17:13

Ich danke allen sehr für Ihre Impressionen, Gedanken, Erzählungen zu diesem Text, die ihn bereichern, öffnen und schwingen lassen, die sozusagen Unterbrechungen in den Kreis weben.
haushundhirschblog - 14. Mär, 20:21

Warum sind wir jetzt so besorgt, liebe Weberin.

haushundhirschblog - 14. Mär, 20:22

Und gestern schon.

bess - 14. Mär, 23:05

Bess nickt.
Weberin - 15. Mär, 07:07

Entwarnung

Das hier sind literarische [oder auch nicht] Versuche, kein Tagebuch. Tagebuch ist nur in der Rubrik Tagebuch.
Ich versuche wieder leichtere Kost einzustellen, versprochen. Nichts liegt mir ferner, als meine Leser besorgt sein zu lassen, obwohl es sehr für diese Leser spricht, wenn sie so sensibel reagieren.
Sherry_ - 15. Mär, 09:31

Bitte schreib', was immer du willst ... Im schlimmsten Fall fragen wir dich einfach, wie es dir gehe und du gibst Entwarnung. Aber versuch', frei zu bleiben. Sonst hast du wie ich, immer weniger Spaß am bloggen.

Weberin - 15. Mär, 14:40

Danke, dass Du das schreibst.
Ich vergesse manchmal wo die Grenze verläuft, zwischen Rücksicht und sich verbiegen.
haushundhirschblog - 15. Mär, 20:52

Sorry, das wollten wir nicht. Und stimmen daher Sherry völlig zu: bitte bloß nichts verändern ... ;-)

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