Tagebuch
Der Wind streicht ums Haus, braust auf, beruhigt sich wieder. Sie hört Stimmen. In der Dunkelheit klingen die Stimmen anders. Fremder als sonst. So hat sie die Sprache am liebsten; wenn sie nur die Melodie hört, das Auf und Ab, ohne die Worte zu erkennen. Ohne zu verstehen.
Mitunter fühlt sie sich so unwirklich, dass sie sich fragt, was sie ist, wer sie ist. Es kommt ihr vor, als sei sie lediglich etwas, das ein anderer sich ausgedacht hat, jemand auf dessen Empfinden und Reaktionen sie selbst keinen Einfluss hat. Heute Nacht war das Gewitter ganz nah, in ihrem Zimmer, um sie herum und nicht einmal die Tatsache, dass sie keine Angst hatte, hat sie beunruhigt.
Ein Blick aus dem Fenster: der Wald, der Himmel, einige Verletzungen, die für immer bleiben. Es ist schwer, sagt sie und meint, dass sie sich nicht entscheiden kann. Zweifellos gibt es ein Richtig und ein Falsch und sie, die sich nicht entscheiden kann.
Was jetzt gerade vor sich geht, versteht sie nicht. Sie begreift nicht, warum es nicht weh tut. Warum es sich richtig anfühlt und trotzdem diese Leere hinterlässt.