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Er. Ihn habe ich nicht gehasst. Ich habe es mir zur Last gelegt, dass er gestorben ist. Ich habe die falschen Fragen gestellt, und dann waren da noch diese Geschichten, die man mir immer wieder erzählte; dass ich mich bei den letzten Besuchen im Krankenhaus geweigert hätte, auf seinem Schoß zu sitzen, überhaupt ihm nahe zu kommen.
Es war nicht unsere Schuld. Etwas stärkeres trennte uns. Er war schon zu krank, um sich zu wehren, gegen die Lebenden, gegen die, die immer alles überleben, die über alles hinausgehen, am Leben festhalten, als wäre es der einzig denkbare Ausgangspunkt. Dabei gibt es andere Wege. Er hat es gewusst, aber er war zu sanft, es ihnen zu sagen. Sie hätten nicht verstanden. Das kam noch hinzu. Und ich war zu jung. Ich spürte diese Kraft, die ihn in eine Richtung zog, der ich folgen wollte und nicht durfte. Es machte mir Angst. Wie hätte ich ihn hassen können? Niemals habe ich ihn gehasst. Nur immerzu vermisst. Bis heute.
Weberin - 16. Mai, 15:51