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Der Vater

Es hat lange gedauert, bis er tot war. Ein langes Sterben.
Damals habe ich es nicht gewusst. Heute weiß ich alles.
Niemand hat mit mir geredet. Er war immer seltener zu Hause. Schließlich war auch meine Mutter immer seltener zu Hause. Man überließ mich Kindermädchen, den Nachbarn. Ich war gut versorgt. Man mochte mich. Es war lustig. Ich fühlte mich wohl. In Wirklichkeit erinnere ich mich nicht daran. Ich erinnere mich an mein Bild, eine Fotografie von mir, die im Wohnzimmer der Nachbarn hing, als hätten sie kein eigenes Kind. Als sei ich das Kind, das sie sich immer gewünscht hatten. Ich erinnere mich an den leichten Schwindel, diese winzige Angst, die kribbelte und Spaß machte, wenn ich dort, im dritten Stockwerk auf dem Balkon stand. So hoch über allem.
Irgendwann hörte es auf. Ich war nicht mehr dort. Es gab keine Kindermädchen mehr, keine Besuche bei den Nachbarn. Nur mein Kinderzimmer; leer, voller Spielzeug und leer. Die Küche, die Mutter. Das Schlafzimmer. Ein elfenbeinfarbenes glänzendes Bett. Einen Schrank aus demselben Material, der die ganze Wand einnahm, eine Kommode mit Spiegel, zwei Fenster. Ich schlief nicht mehr in meinem Bett. Ich schlief in diesem Bett. Elternbett, Mutterbett. Das Bett war harmlos. Aber die Gardinen. Sie wurden zu Fratzen, sie bewegten sich. Etwas löste sich aus ihren Bewegungen und kam auf mich zu, kam immer näher. Dann hörte ich ihre Stimme. Die Stimme meiner Mutter. Die Worte: Klaus ist tot. Die Fratzen lachten, aber sie blieben wo sie waren. Sie kamen nicht näher. Sie ließen es zu, dass ich aufstand, ihr Reich verließ. Sie lachten. Ihr Lachen verfolgte mich. Ich schloss die Tür. Ich war fünf. In der Küche standen drei Stühle. Der Tisch war sehr klein. Die Küche war sehr klein. Ich saß am Fenster. Ich weiß nicht, ob ich schon immer dort gesessen habe, am Fenster, meiner Mutter gegenüber, der dritte Stuhl leer. Sie hat Teller hingestellt, Besteck links und rechts neben den Teller gelegt. Hat den Platz gedeckt, als würde sich derjenige, dessen Platz dort war lediglich verspäten. Tagelang ging das so, oder länger. Ich erinnere mich nicht. Als könnte allein die Kraft des Wunsches das Gesehene noch einmal wenden. Aber vielleicht war das nicht der Grund. Vielleicht gab es einen ganz anderen Grund. Sie hat nicht darüber gesprochen. Oder vielleicht hat sie darüber gesprochen und ich erinnerte mich, sobald der Satz ausgesprochen war, an nichts mehr. Nur an die Küche, das Fenster, mein Bild im Wohnzimmer, ein Stockwerk höher.

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