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Sie geht II

Ihr Geruch hat sich verändert. Sie riecht süßlich. Schon ein bisschen nach Tod.
Sie sieht sich selbst beim Sterben zu.
Dann verläßt sie den Traum mit dem Spiegel, kleidet sich an, geht zum Fenster. Was sie dort sieht, sagt ihr nichts. Eine junge Frau in einem rotgetupften Kleid führt ihren Hund spazieren. Der Briefträger steigt vom Rad, ein paar alte Damen in ihrem Alter finden kein Ende beim Händeschütteln, der Verkehr schwillt an, ebbt ab. Am Himmel ballen sich Wolken zusammen.
Das alles hat nichts mit ihr zu tun. Sie schließt das Fenster, dreht sich um. Dieser Raum ist fast leer. Die Wände kahl und weiß. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Regal. Die Tür hat sie schwarz gestrichen. Der Fußboden ist aus dunklem Holz. Sie hat viel mehr Räume als sie braucht in diesem Haus. Sie kann es sich leisten, jeden Raum so sparsam einzurichten. Fast karg. So wie ihre Jahre jetzt sind. Seit einiger Zeit. Erfüllt von einer Leere. von der Beobachtung ihres sterbenden Körpers.
phyllis - 25. Mär, 15:32

Wenn Ihre Texte

in ihrer elegischen Grundstimmung nicht so schön wären, ich wäre versucht, Sie aufheitern zu wollen, Weberin. So sage ich nur, dass ich Ihren Vignetten immer wieder anheim falle. Weil ich denke, so könnte eine Tochter ihre Mutter beim Schwinden beobachten. Weil es sich richtig anfühlt, wenn Altern und Sterben da sein dürfen. Weil mich das andere Ende der Melancholie, dieser burschikose Lebensmut - auch mein eigener, gelegentlich - nur zu Pragmatismus inspiriert und sonst gar nichts. Dieses andauernde Entgiften und lang leben, Ruhe und gute Miene bewahren: Unfug.

Herzlich,
Phyllis

tinius - 26. Mär, 01:47

Die Texte sind wunderbar, berührend und eindringlch, immer jenseits irgendeines Pathos' . Und sie sind für mich "wahr", vielleicht wahrer als manches meiner Gedichte.
Weberin - 1. Apr, 10:46

Sicher kennen Sie die Spinnen, und überhaupt die Kunst von Louise Bourgeoise, liebe Phyllis? Ich hatte, wenn ich diese Skulpturen und Bilder sah, nie das Bedürfnis, diese Frau aufzuheitern, aber darüber zu schreiben. Vielleicht fehlt mir einfach ihr burschikoser Lebensmut. Bewahren Sie ihn sich und lesen Sie weiter bei mir.
Weberin - 1. Apr, 10:49

Tinius, mich verstört, was Sie da schreiben. Meine Texte seien wahrer als manches Ihrer Gedichte. Es sollte Berührung geben durch die Literatur, aber niemals eine Wahrheit, die als solche anerkannt und nicht gleichzeitig bezweifelt werden kann.
Sturznest - 1. Apr, 21:24

gedichte in zeiten der blogs, das ist ein schweres unterfangen, das ist fast nicht möglich, man darf sie gar nicht schreiben, entweder sie gehen völlig unter oder sie werden zu tode gelobt, beides ist nicht gut für die gedichte.
gedichte werden manchmal geschrieben, weil sie aus dem innersten kommen, deshalb müssen sie nicht wahr sein, was ist wahrheit, das würde ich gerne einmal wissen, ist wahrheit die geschichte einer alten frau in zenica? ist wahrheit dass was im kopf hin und herfliegt und vom dem wir gar nichts wissen können, vielleicht ist wahrheit aber nur die suppe, die der arme zu sich nimmt? oder das auge, dass der blinde vergeblich sucht?
tinius - 10. Apr, 01:21

Ich meinte "Wahrheit" nicht in einem überprüfbaren, oder erklärbaren Zusammenhang, sondern eben als Empfindung, damit - vermutlich - höchst subjektiv. Es ist vielleicht eine "poetische" Wahrheit, die sich aus einer Stimmigkeit aus Inhalt, Form und Sprachwahl speist - und eben da setzen, ab und an, die Selbstzweifel an, bewege ich mich doch bisweilen in anachronistisch anmutenden Wort - und Bildgefilden ... LG tinius

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