Sie legte den Arm auf den Tisch und schrieb. Die Schrift verfing sich in Erinnerungen. Die Erwartung setzte dem Grenzen. Innerhalb dieser Grenzen schrieb sie sich fort. Das Wasser im Glas bewegte sich. Schöne, unruhige Bewegungen.
Sie plant und vereitelt ihre Pläne. Sie plant immer nur so viel, wie sie vereiteln kann. Sie weiß vielleicht mehr, als sie zu wissen vorgibt. Auf jeden Fall mehr, als sie vergessen kann.
Stimmen, die vom Nichts sprechen und einander zuhören dabei.
Ich bin ein Nichtschwimmer, über den Tag meines Ablebens hinaus.
Ihr Tod ängstigt sie nicht mehr, sie steht ihm gleichgültig gegenüber, als hätte sie bereits alles erreicht, was es für sie zu erreichen gegeben hat.
Ich habe
ihn gesehen. Gestern war ein schöner Tag. Die Sonne schien von einem makellos blauen Himmel. Kobaltblau, dachte ich und musste lächeln. Die Sonne hatte schon diese Kraft nicht nur die Haut, sondern auch meine Gedanken zu erwärmen. Ich ging am Meer entlang, scheinbar ohne Ziel.
Mein Kopf hielt Ausschau nach Wolken, aber der Himmel blieb wolkenlos. An meinen Schritten war etwas, das mich aufhob. Ich ließ mich treiben und als ich den Kopf hob, sah ich sein Haus. Es war als würde das Haus aus Lachen bestehen und nur eine klitzekleine Traurigkeit sah aus dem geöffneten Fenster heraus und traf mich mit ihrem Blick.
Wir haben die Farben entdeckt und das Sehen verlernt.
Wie es beginnt und wie es sich dann im Sichtbaren verläuft.
Daraufhin halten wir die Wörter an, lassen sie sich auflösen in Buchstaben und Töne. So geht Vergessen. Empfinden auch.
Und Begreifen ist letztendlich nichts anderes als das allzu Offensichtliche zu vergessen, während man sich an etwas tieferliegendes erinnert.
Alles hat seine Beziehung zueinander und ist gleichzeitig abgeschnitten, isoliert. Auf dieser Grundlage baut das Leben uns Brücken und erst wenn man sie betritt, zeigt sich, ob sie tragen.
Man benennt die Dinge. Und indem man sie benennt, geht man darüber hinweg.
Wir verließen die Stadt im Morgengrauen. Beinahe war uns egal, dass es keine Stadt mehr gab. Als wenn es zu verstehen gelte, den leichten Schwindel. Die hofärtige Art, die Weise, wie sich alles nur um sich selbst dreht, mag sie von Politik schreiben, von Pflanzen, von Katastrophen aller Art.
Ich sollte schweigen, dem Dunkel vor dem Fenster folgen. Fuchsaugen suchen, mich verlieren, um eure Wahrheit zu finden und endlich dazuzugehören, nur um zu merken, ein Ort ist so verloren, wie der andere.
Ein Hotelzimmer. Die Beleuchtung ist defekt. Vor dem Fenster Leuchtreklame, das Zimmer wird rot, gelb, blau. Auf dem Bett liegt eine Frau, bewegt stumm ihre Lippen, lächelt. Wartet.
Man sieht ihr das Warten an und fragt sich woran man festmacht, dass sie wartet. Was einen zu dieser festen Ansicht veranlasst, woher man diese Sicherheit nimmt.
Warum man sie überhaupt sieht, die sehr helle, sehr zarte Haut, die immer wieder in die Farben der Leuchtschrift getaucht wird. Man hat das Gefühl, sie beschützen zu müssen.
Gleichzeitig ist man sicher, dass man sich nicht zeigen darf. Das würde mehr als das Bild zerstören.
Das Bild des Wartens.
Mein Haus steht am Rand einer Klippe. Das Meer liegt unter mir. Es ist ein wenig, als lebte ich in einem Leuchtturm. Draußen die Schiffe, die Matrosen, die Musik und innen mein frommer Wunsch, dass meine Gedanken an- und abschwellen wie Ebbe und Flut.
Ich beherberge niemanden in meinem Haus. Ich erlaube niemandem in meinen Zügen zu lesen. Meine Einsamkeit gehört mir allein. Dort blüht sie auf.
Auf der anderen Seite der Klippe, weiter im Landesinneren, sagt man, habe sich einer ein Haus gebaut. Er habe es blau angestrichen. Kobaltblau. So nennt er sich auch.
Herr Kobalt.
Ich gebe nicht viel auf das Gerede der Leute. Aber morgen werde ich vielleicht einmal zu dieser Stelle gehen. Ein kobaltblaues Haus. Das stelle ich mir hübsch vor.
Es war kalt als mein Vater im Sterben lag. Die Seen waren zugefroren. Seine Hände waren kalt und kraftlos. Mein Traum ist beendet, sagte mein Vater. Ich muss nun gehen.
Ich habe getrunken und meine Brüder geschlagen. Ich habe Ränke geschmiedet und meine Zeit vertan.
Mein Leben war ein Kreis, in dem ich vergebens die Unterbrechung gesucht habe, um zu entkommen. Nun ist sie da.
Lebt wohl.
Es gibt keine Erklärungen. Keine Aussichten. Auch keine Erlösung. Der Schmerz ist da, um ausgehalten zu werden. Nichts weiter.
So wie die Liebe so lange dauert, bis sie vergeht. (Diese Art Liebe über eine Möglichkeit hinaus.)
Unantastbar.
Ein Hauch.
Einen Menschen zerstören.
Sehr langsam und gründlich, indem man ihm seine Hoffnungen nimmt.
Und dann zusieht, wie der Atem immer kürzer wird.
Wie ein Bussard über dieser Lebensgeschichte kreisen.
Scheinbar immer bereit, zuzustossen.
Das genügt.