Die gefühlte Zeit verweigern. Dem Tag die Wut der vergangenen Jahre entgegenhalten.
Wir verdunkeln die Fenster, stellen die Musik lauter. Schließen die Augen. Aber die Träume gleichen der Wirklichkeit und die Musik ist so traurig wie unsere sehr leisen Gedanken.
Wir reden von der Zukunft. Du sagst, dass es wieder Sommer wird. Aber wir wissen beide, dass der Frühling für immer vorüber ist.
Lange Zeit versucht sie nicht, die Tür zu öffnen. Sie hat Angst, die Enttäuschung würde sie noch mehr entkräften, als der Hunger und Durst unter dem sie leidet.
Zwischen Feuer und Eis, zwischen gestochen scharfen Gesichtern, sitzt der alte Mann mit dem weißen Bart, sein leuchtend weißes Haar, drahtig und doch weich. Er sitzt allein am Tisch. Das Lachen und Trinken und Jungsein hat er hinter sich. Was ihm bevorsteht, liegt in seinem Blick.
Sie ist sich nicht sicher, ob sie träumt, oder ob die Bilder wirklich sind. Der Mann blickt nicht auf. Niemand nimmt Notiz von ihr. Sie setzt sich und wartet. Die Angst bleibt in der Tür. Anwesend, aber entfernt.
Sie erwacht und alles ist still. Innerhalb des Gebäudes ist sie die einzige, die Geräusche verursacht. Keines dieser Geräusche ist auch nur annähernd so laut, wie die Stimmen in ihrem Kopf.
Sie wartet auf die Nacht. Darauf, dass der Himmel diese schwarzgrüne Färbung annimmt, die sie so liebt. Das Leben ist kurz. Diesen Satz hat ihre Mutter beständig wiederholt. Wie eine Predigt, eine Litanei.
Und wild und beständig hat jemand geantwortet. Wer war das? Wer hat diesen Satz gesagt?
Wenn sie sich an den Sprecher des Satzes erinnert, wird sie einen Ausweg aus ihrer merkwürdigen Lage finden. Davon ist sie überzeugt.
Sie beginnt sich mit der Tür zu befassen. Lehnt sich gegen die Tür, betastet die Oberfläche, horcht auf die Geräusche. Auf die Schritte und Stimmen. Sogar auf das Lachen. Alles bleibt still. Als wäre sie plötzlich allein hier. Und die Tür verschlossen. Nur das Loch anstatt einer Zimmerdecke als Ausweg. Sie weint. Dann schläft sie ein.
Ich ändere mich.
Und mit mir ändert sich die ganze Welt.
Am nächsten Tag ist sie erschöpft. Die Hoffnung hat sie erschöpft und die kalte Nacht. Statt zu schlafen, hat sie die Sterne betrachtet. Jetzt erst fragt sie sich, was geschehen ist. Wie man ihr das Dach über dem Kopf hat nehmen können, ohne das sie es merkt.
Diese Zweifel und Fragen greifen die Wände an. Sie werden brüchig und dünn. Noch kann man nicht erkennen, wer im Zimmer nebenan lebt, aber Schatten, die sich bewegen sind bereits erkennbar.
Die Geräusche sind inzwischen doppelt so laut. Nur die Tür ist weiterhin undurchsichtig und verschlossen, wie all die Tage zuvor.
Sie ist noch immer in diesem Zimmer. Die Stimmen, die Wellen, die Schritte. All das ist unverändert.
Erst als sie den Blick nach oben wendet, bemerkt sie was geschehen ist. Was sie schon beim Erwachen beunruhigt hat. Die Zimmerdecke ist verschwunden. Direkt über ihr ist der Himmel, die Wolken, die Sonne.
Sie kann jetzt weiter sehen, direkt in den Himmel hinein. Diese Bilder werden die Stimmen zum Schweigen bringen. Sie hofft. Ein Zug Schwalben fliegt vorbei.

Es gibt Orte, die das Kind nicht betreten darf. Verschlossene Türen und Fenster, die geschlossen werden, wenn das Kind zu lange unter ihnen stehenbleibt.
Das Kind stellt keine Fragen.
Die Schokolade, die Nachbarn, Tanten und die nur selten für wenige Stunden anreisende Großmutter, ihm schenken, rührt es nicht an.
In dem kleinen Nachtschrank neben seinem Bett, hat das Kind über dreißig Tafeln Schokolade gesammelt. In goldenem Papier, in weißem und roten und blauem Papier.
Das Kind lebt in einer Welt, in der es nur Frauen zu geben scheint.
Nach Einbruch der Nacht schleicht es sich in den Wald und sucht unter den Geräuschen seiner Schritte eine männliche Stimme.
In der Nacht hat sie Albträume. Sie erwacht schweißgebadet. Ihre eigenen Schreie haben sie geweckt. Vielleicht mehr noch als die Bilder des Traums, erschreckt sie der Klang ihrer eigenen Stimme. Wie kann etwas, das sich derart fremd anfühlt, aus ihr heraus kommen?
Es genügt nicht, zu vergessen. Man muss die Erinnerung zerstören.
Gibt es genug Zeit? Wird es jemals genug Zeit geben, um alle Erinnerungen auszulöschen?
Die Toten behaupten, das sei unmöglich. Die Erinnerung ist immer größer als die Zeit. Niemand wagt, ihnen zu widersprechen.
Dann sind wir allein. Mit dem Morgen. Nichts geht weiter.
Die Zeit steht still.
Bewegt die Lippen, aber spricht nichts aus.
Als würden wir versuchen unter Wasser zu atmen.
Und es gelingt.
Während der aktuellen
Diskussion auf Tainted Talents, fragte mich Phyllis, ob ich überhaupt Kritik wünsche, hier im Zeitnetz.
Zunächst wünsche ich mir Leser.
Und dann möchte ich Thomas Kling zitieren:
"Im übrigen will ich keines Menschen Urteil, [ich will nur Kenntnisse verbreiten, schreibt er im Original. Ich maße mir nicht an, Kenntnisse verbreiten zu können, aber vielleicht Stoff zum Nachdenken, Gedanken, die andere inspirieren können, verärgern, erfreuen.] Ich berichte nur."
Also geschätzte Leserinnen und Leser, schimpfen Sie, loben Sie, oder lesen Sie einfach still mit.
Am Morgen liegt eine tote Krähe auf der Fensterbank. Sie sieht das Tier an. Es muss schon lange tot sein. Insekten und Maden bedecken den Kadaver. Hat sie den Vogel am vorigen Tag und am Tag davor nicht bemerkt?
Wie lange ist sie hier?
In ihr Notizheft schreibt sie: Ich beginne mir Fragen zu stellen. Ich fange an, die Stimmen der Toten zu vergessen. Ihre Worte nie.
Das Zimmer verändert sich. Manchmal stehen Blumen auf der Fensterbank, ein anderes Mal steht ein Korb mit frischem Obst auf dem Tisch. Sie kommen, wenn sie schläft. So lange sie hier ist, zwei Tage?, eine Woche?, hat sie keinen Menschen zu Gesicht bekommen. Nur die Schritte. Die Stimmen. Nachts das Flüstern und Rascheln von Papier. Sie hat sehr gute Ohren. Ihr Gehör wird immer schärfer. sie notiert, was sich verändert, was ihr auffällt. Es ist kühler geworden. Man hat ihr zusätzliche Decken ins Zimmer gelegt. Neben der Karaffe mit Wasser steht eine Thermoskanne mit Tee.